Die Salonière
Mein Name ist Monika Gemmer. Ich bin Online-Journalistin und Literaturwissenschaftlerin. Ich mag Menschen, die über sich lachen können, Menschen, die sich gegen Widerstände stemmen, auch wenn sie sie nicht immer überwinden; Menschen, die auch mal zweifeln und verzagen und doch trotzig an sich glauben; Menschen mit Widersprüchen – so wie Annette von Droste-Hülshoff.
Die Dichterin ist seit 25 Jahren mein Spezialgebiet und Steckenpferd: Leben, Alltag und Werk der Schriftstellerin, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte, habe ich in einer ganzen Reihe von digitalen Projekten beleuchtet, darunter eine Multimedia-Homestory, ein Blog mit ihren Briefen, eine multimediale Reportage über ihre Zeit in Meersburg und ein interaktives eBook fürs iPad
Meine Salongäste: Annette von Droste-Hülshoff – und Sie
Willkommen in meinem Salon! Darf ich Ihnen den anderen anwesenden Gast, Annette von Droste-Hülshoff, näher vorstellen? Ihr Lebensmittelpunkt war das Münsterland in Westfalen. 40 von 51 Lebensjahren verbrachte sie dort, zunächst auf der elterlichen Burg Hülshoff, dann, nach dem frühen Tod des Vaters, im „Witwensitz“ der Mutter, Haus Rüschhaus, nur wenige Kilometer entfernt.
Dass ihre Schwester Jenny in den Süden heiratete und mit ihrem Mann die alte Meersburg im gleichnamigen Ort am Bodensee kaufte, bescherte Annette von Droste eine „zweite Heimat“, einen Ort, an dem sie freier leben konnte als im heimischen Münsterland, wo sie sich der ständigen Begutachtung durch die streng-katholische Adelsgesellschaft nur schwer entziehen konnte.
Doch auch im Rüschhaus beim Münster, wo Mutter und Tochter in einem halb bäuerlichen, halb herrschaftlichen Haus lebten, verschaffte Annette von Droste-Hülshoff sich kleine Freiheiten. In ihrem „Schneckenhäuschen“, wie sie ihr Zimmer mit Blick auf die Heidelandschaft nannte, entstand Weltliteratur. Sie wusste um ihr Können und ahnte selbstbewusst voraus, was sich einmal mit ihrem Namen verbinden würde: Deutschlands größte Dichterin.
Wie schön, dass Sie sich hier treffen!
„Ich werde gelesen – aber auch gekauft?“, konstatierte sie damals ernüchtert über eines ihrer Bücher. Zwei Gedichtbände erschienen zu Lebzeiten, beide floppten. Heute müsste man wohl eher sagen: Annette von Droste wird gekauft – aber auch gelesen? Viele, vermutlich auch Sie, hatten nur einmal im Leben Berührung mit ihrem Werk: in der Schule, wo Sie vielleicht dem verängstigten Knaben begegnet sind, der durchs Moor hastet, bedrängt von schauerlichen Gestalten. Oder Sie mussten damals die Novelle von einem grausamen Verbrechen lesen, eines Mordes an einem jüdischen Händler, begangen am Fuße einer Buche – ein Stück Literaturgeschichte, das auf einem wahren Kriminalfall beruht. Sollten dies Ihre einzigen Begegnungen miteinander gewesen sein, so haben Sie etwas verpasst. Welch ein Glück, dass Sie nun hier, in meinem Salon, wieder aufeinander treffen!
Die Gedichte der Annette von Droste-Hülshoff mögen auf den flüchtigen Blick keine leichte Kost sein. Doch wer sich darauf einlässt, kann die ungeheure Sprachkraft entdecken, mit der sie ihren (durch starke Kurzsichtigkeit geradezu mikroskopischen) Blick auf die äußere Welt in Worte fasst. Und mit der sie ihr Innerstes nach außen kehrt. Annette von Droste schrieb von Hoffnung und Kampfgeist, Glauben und Zweifel. Und sie bedichtete das Größte von allem, die Liebe – für Menschen, die ihr nahestanden, ebenso wie für die kleine, westfälische Welt, in der sie lebte.
Ihr manchmal selbstironischer, manchmal spitzbübischer, manchmal bissiger Humor, ihr Sprachwitz lassen sich in vielen der Briefe finden, die die Adressatinnen und Adressaten nicht verbrannt haben. Und in diesem Salon, wo Sie Annette von Droste auf eine Plauderei treffen können.